Die Feierlichkeiten im Dorfgasthaus Peterskirchen waren stets ein Spektakel: Hochzeiten, Theateraufführungen und Schützenfeste erfüllten den großen Saal mit Leben und Freude. Der Duft von bayerischen Spezialitäten, das Klirren der Maßkrüge und lebhafte Gespräche prägten die Atmosphäre des Gasthauses über viele Jahrzehnte hinweg. Seinen Ursprung hatte dieser gastliche Ort im Jahr 1846, als die Wirtsleute Peter und Katharina Langmaier eine Tafernwirtschaft am Dorfplatz neben der Kirche errichteten. In der Folge war das ortsbildprägende Gebäude über viele Jahrzehnte der soziale und gesellschaftliche Mittelpunkt der Bevölkerung. Unter seinem Dach befanden sich nicht nur die Gaststätte und die Wohnräume der Wirtsleute, sondern bis in die 1980er Jahre auch Gästezimmer und ein Schlachtbetrieb mit Metzgerei. Seit der Übernahme durch die Brauerei Wieser im Jahre 2002 wird das historische Gebäude als Kirchenwirt bezeichnet; gleichzeitig endete die Ära Langmaier als Familienbetrieb.
Die Zeit ging allerdings nicht spurlos an dem stattlichen Gebäude vorüber. Viele Jahre stand der Kirchenwirt leer, ungenutzt, voller Gerümpel und dem Verfall nahe. Die Gemeinde Tacherting erkannte den kulturellen und historischen Wert dieses Ortes und erwarb das Gebäude im Jahr 2010, um ihm neues Leben einzuhauchen. „Mit dem Erwerb des Gasthofs durch die Gemeinde, der Verlegung des Parkplatzes und der vielbefahrenen Staatsstraße 2091 im Zuge der Dorferneuerung, eröffnete sich eine einmalige Chance, dem Dorfkern seinen ursprünglichen Mittelpunkt wiederzugeben“, erklärt Werner Disterer, Erster Bürgermeister von Tacherting.
Gasthof und Bürgerhaus
Mit Beteiligung der Bevölkerung begann Ende 2010 die umfassende Sanierung des Kirchenwirts und die Umnutzung zum Bürgerhaus. Aufgrund der Objektgröße und der zu erwartenden Kosten einigte man sich auf zwei Bauabschnitte. Im ersten Bauabschnitt wurde die vordere Gebäudehälfte mit Gastwirtschaft und Festsaal saniert. Schon 2012 erstrahlte der Kirchenwirt in neuem Glanz und es konnten wieder Feierlichkeiten stattfinden. Während des ersten Bauabschnitts wurde von der Teilnehmergemeinschaft die Staatsstraße zurückgebaut und der Dorfplatz umgestaltet. Im Jahr 2016 nahm man den zweiten Bauabschnitt in Angriff: der rückwärtige Teil des Gebäudes mit Mehrzweckräumen und Räumlichkeiten für die Pfarrei.
„Bei den umfassenden Sanierungen wurde das Gebäude bautechnisch auf den neuesten Stand gebracht, wobei historische bedeutsame Element erhalten werden konnten“, erklärt Werner Disterer. Der Kirchenwirt erhielt zudem eine Photovoltaikanlage, eine Heizung mit Nahwärme über den Pellets- Heizkessel der benachbarten Schule sowie einen barrierefreien Zugang durch den Einbau eines Aufzugs.
Ein Bürgerhaus für alle
Seit der Sanierung und Umnutzung zum Bürgerhaus beherbergt der Kirchenwirt eine Vielzahl an Einrichtungen, die generationsübergreifend das Dorfleben bereichern, so Werner Disterer. Im Erdgeschoss befindet sich nach wie vor eine Gastwirtschaft. Der „boarische Inder", wie sich der Pächter selbst nennt, bietet neben bayerischen Schmankerln auch indische Spezialitäten an. Zudem betreibt er einen Biergarten, der am Vorplatz des Gasthofs für mehr Aufenthaltsqualität sorgt. Neben dem normalen Wirtshausbetrieb nutzen die Peterskirchener das Haus für Stammtische oder Familientreffen. Aber auch die Kirchgänger schauen wie in früheren Zeiten auf ein Glasl vorbei.
Im Bürgersaal des Obergeschosses finden bis zu rund 200 Personen Platz. „Die moderne Technik und eine bewegliche Bühne werden intensiv für Theateraufführungen, Bälle, private Feiern und weitere unterschiedliche Veranstaltungen in Anspruch genommen“, sagt Werner Disterer. Während der Theatersaison sorgt eine Tribüne für bessere Sicht. Auch die Trachtler, die Sportvereine und Schützen nutzen den Mehrzweckraum als Übungs- und Proberaum. Im Dachgeschoss sind neben einem Aufenthaltsraum, ein elektronischer Schießstand, ein Sportverein sowie das Pfarrarchiv beheimatet.
Das Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern unterstützte das Projekt mit 100.000 Euro. Zudem förderte die Ländliche Entwicklung auf Europaebene im Rahmen einer ELER-Maßnahme die Sanierung und Umnutzung mit 450.000 Euro. Einen wesentlichen Beitrag leistete die Dorfbevölkerung selbst: Viele Dorfbewohner packten tatkräftig an und leisteten in erheblichem Umfang Arbeitsstunden. Insbesondere bei der Entrümpelung und Entkernung sowie beim Innenausbau, der Innenausstattung und der Möblierung des Trachtenheims und des Schützenstandes arbeiteten die Vereinsmitglieder Hand in Hand. „Dieser Gemeinschaftssinn und die Einsatzbereitschaft waren mitentscheidend für den erfolgreichen Abschluss des Projekts“, sagt Werner Disterer, der zu diesem Zeitpunkt dem Tachertinger Gemeinderat angehörte.
Ein Segen für den Ort
Nach Einschätzung des Tachertinger Bürgermeisters ist die Dorferneuerung und die Umnutzung des Kirchenwirts trotz der finanziellen Herausforderungen besonders aus heutiger Sicht ein Segen: „Wir haben in Peterskirchen nicht nur ein historisch wertvolles Gebäude erhalten, sondern wieder einen Ort geschaffen, wo unsere Bürgerinnen und Bürger zusammenkommen und Gemeinschaft erleben können.“ Auch ihm als Tachertinger liege das besonders am Herzen.
Auch wenn es nicht die ureigene Aufgabe einer Gemeinde sei, Gasthäuser zu erhalten, so zeige das Beispiel Peterskirchens doch, dass ohne die Unterstützung der Öffentlichen Hand und der Gemeinden solche Schätze verloren gehen, so Werner Disterer. Eine ähnliche Situation habe es auch im Ortsteil Emertsham gegeben. Nachdem der ursprüngliche Eigentümer, eine Brauerei, das Wirtshaus ebenfalls dauerhaft geschlossen hatte, sollte die Gemeinde einspringen. „Einen solchen weiteren Kraftakt nach dem Kirchenwirt konnten wir weder finanziell stemmen noch rechtfertigen“, betont Werner Disterer. Glücklicherweise trat ein privater Investor auf, der sechs Wohnungen in das Gebäude einbauen ließ. Die Gaststätte und der Saal blieben erhalten. „Zumindest konnten wir als Gemeinde die Wirtschaftsräume für Vereine pachten“, erklärte der Bürgermeister. Ein eigens dafür gegründeter Wirtshauserhaltungsverein aller Ortsvereine übernimmt die Organisation. Zuvor herrschte, wie im Peterskirchener Wirtshaus Stillstand, was auch das Vereinsleben erschwerte. „Erst dann wird einem bewusst, wie wichtig solche Orte der Zusammenkunft sind“, beschreibt Werner Disterer die Situation.
Auch wenn nicht immer alle Bürgerinnen und Bürger solchen Investitionen zustimmen, in einem seien sich die meisten einig: ein Stück Ortsgeschichte zu bewahren und einen lebendigen Treffpunkt für die Zukunft zu schaffen, ist wichtig für die Lebensqualität und die Dorfentwicklung.